Zukunftsweisend, lebensnah und innovativ: Erlernen von Wirtschafts- und Finanzkompetenz in der Schule neu ausrichten

I. Ausgangslage

Junge Menschen fordern praxisnahes wirtschaftliches Wissen in der Schule und sind der Meinung, dass ihre Ausbildung sie noch zu wenig auf das wirkliche Leben und die Arbeitswelt vorbereite. Jugendstudien haben kürzlich ermittelt, dass junge Menschen aktuell zu pessimistisch auf ihre Zukunft blicken. Sie möchten mit wichtigen Kompetenzen ausgestattet werden, um sich in den komplexen Zusammenhängen in Wirtschaft, Politik, der Arbeitswelt und alltäglichen Leben zurecht zu finden und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Sie erwarten daher Reformen in Bildung, Politik und Wirtschaft, zum Beispiel eine umfassende Digitalisierung.

Wir Freien Demokraten wollen Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürger erziehen, die kluge Entscheidungen über ihre finanzielle Gegenwart und Zukunft treffen können. Die ökonomische und finanzielle Bildung ist eine wichtige Grundlage für kompetente ökonomische Teilhabe in der modernen, marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaft. Wirtschaftliche Bildung stellt zudem Chancengerechtigkeit her.

Wirtschaftliches Wissen und wirtschaftliche Handlungskompetenzen sind darüber hinaus für Nordrhein-Westfalen als Wirtschaftsstandort von besonderer Bedeutung. Um in unserem Land die Voraussetzungen für einen wirtschaftsfreundlichen Standort und ein Klima für Unternehmertum und Gründungen zu schaffen, müssen wir die Grundlagen bei der Ausbildung junger Menschen legen.

Untersuchungen zeigen, dass sich junge Frauen seltener für ökonomische Fragen interessieren als Männer. Jedoch zeigt sich zum Beispiel auch, dass Frauen, die in Aktien investieren, dabei oft erfolgreicher sind als Männer. Ökonomische Bildung ist eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Gleichstellung und zum Überwinden von Geschlechterrollen. In der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Bildung stecken auch aus Gleichstellungssicht viele Potenziale, die es zu heben gilt.

Wirtschaft gehört in den Bildungskanon

Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, dass Wissen um ökonomische Zusammenhänge genauso zum Bildungskanon gehört, wie alle anderen Fächer.

Die Ergebnisse der OeBiX-Studie zum Stand der Ökonomischen Bildung in Deutschland des Instituts für Ökonomische Bildung im Auftrag der Flossbach von Storch Stiftung zeigen leider deutliche Defizite und mangelnde Angebote in der ökonomischen Bildung. Wirtschaft sei das Nebenfach der Nebenfächer und führe weiterhin ein Schattendasein.

Wir Freien Demokraten haben in der letzten Legislatur die ökonomische Bildung im Schulunterricht ausgebaut und das Schulfach Wirtschaft in allen Schulformen eingeführt. Ein nächster notwendiger Schritt ist nun, das Fach Wirtschaft als Abiturfach zu implementieren. Im nordrhein-westfälischen Zentralabitur gibt es die ökonomische Bildung bislang nur im Integrationsfach Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, welcher nur auf Beschluss der Schulkonferenz eingeführt werden kann. Die Hürden für das Fach Wirtschaft im Abitur bleiben bislang hoch.

Fortbildung für Lehrkräfte stärken

Insbesondere in der Lehrerfortbildung bestehen massive Defizite. Das hat die OeBiX Schwerpunkt-Studie zu den Fortbildungsangeboten in der Ökonomischen Bildung ermittelt.  Die Studie hat erfasst, welche Fortbildungsmöglichkeiten Lehrkräften von den Bundesländern auf ihren Portalen zwischen August 2022 und August 2023 angeboten wurden. Nur 15,6 Prozent der Angebote befassen sich demnach ausschließlich mit Ökonomischer Bildung. In 60 Prozent aller Fortbildungen für Wirtschaftslehrer besteht sogar keinerlei ökonomischer Bezug. Nur in 1,5 Prozent spielt Finanzbildung eine Rolle. Digitale Medien (7,9 Prozent) und handlungsorientierte Unterrichtsmethoden (12,5 Prozent) finden in Fortbildungen übergeordnet statt, allerdings nicht mit einem Fokus auf Wirtschaft.

Im bundesweiten Vergleich ist das quantitative Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen für Ökonomische Bildung in Nordrhein Westfalen überdurchschnittlich gut ausgeprägt. Von insgesamt 159 in Nordrhein-Westfalen angebotenen Fortbildungen für Lehrkräfte weisen 46 eine ausschließliche Fokussierung auf Themen der Ökonomischen Bildung auf. Allerdings zeigt die Studie auch auf, dass es sich bei den Angeboten zum großen Teil um sogenannte One-Shot-Maßnahmen handelt. Der Anteil längerer und nachgewiesen wirkungsvollerer Maßnahmen ist gering. Mehr als zwei Drittel der angebotenen Fortbildungen weisen einen zeitlichen Umfang von acht oder weniger Stunden auf. Inhaltlich spielt die „Entrepreneurship Education“ in den Fortbildungsinhalten in Nordrhein-Westfalen keine Rolle. 17,6 Prozent der Fortbildungen für Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen thematisieren Bildung für Nachhaltige Entwicklung als schulische Querschnittsaufgabe.

Wirtschaftswissen wird besonders häufig fachfremd, also durch eine Person unterrichtet, die für dieses Fach keine Lehrbefähigung besitzt. Der Anteil fachfremden Unterrichts in „Politik” lag im Schuljahr 2021/22 je nach Schulform zwischen 80,7 Prozent (Hauptschule) und 23,2 Prozent (Gymnasium).

Schulbücher müssen nah am Leben sein

Schulbücher sind insbesondere für die Unterrichtsvorbereitung bei der Mehrheit der Lehrkräfte noch immer Grundlage für die vermittelten Inhalte. Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat vor diesem Hintergrund eine Studie zur Analyse der ökonomischen Inhalte in deutschen Schulbüchern durchführen lassen. Insbesondere bei fachfremd unterrichtenden Lehrkräften ist der Bezug auf die Schulbücher bei der Unterrichtsvorbereitung besonders ausgeprägt.

Die Ergebnisse der Studie decken gravierende Mängel hinsichtlich ökonomischer Fachlichkeit in den Inhalten der Schulbücher auf. Unterrichtet wird ökonomische Bildung vor allem als Teil der sozialwissenschaftlichen Integrationsfächer. Methodik und Fachdidaktik der Ökonomie fehlen in vielen Büchern gänzlich. Ferner wird deutlich, dass die Inhalte nicht lebensweltnah vermittelt werden. In den Schulbüchern wird die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung der Lehrinhalte nicht ausreichend behandelt. Schülerinnen und Schülern werden keine lösungsorientierten Handlungskompetenzen vermittelt. Die Frage: „Wofür brauche ich das?“ kann anhand der Lehrinhalte nicht beantwortet werden.

Die Schulbücher weisen darüber hinaus auch inhaltliche Schwächen auf. So zeigt die Analyse, dass der Staat in den Büchern als universeller und häufig paternalistischer Problemlöser dargestellt wird. Es fehlen Inhalte mit Bezug zu Unternehmertum. Außerdem gibt es kaum Darstellungen von Frauen als Unternehmerinnen.

Zeitgemäße und fachlich fundierte ökonomische Bildung müsste bei den Schülerinnen und Schülern ökonomische Kompetenzen durch selbstwirksames Lernen ausbilden. Dazu gehört etwa das Verständnis von unternehmerischem Denken und Handeln ebenso wie nachhaltiges Wirtschaften im Privaten.

Lebenslanges Lernen und Finanzbildung

Die Erkenntnis, dass die finanzielle Bildung in Deutschland noch schlecht aufgestellt ist, ist bereits vorhanden. Das gilt nicht nur für den Schulunterricht, sondern auch für das lebenslange Lernen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) entwickeln daher gemeinsam mit der OECD eine Nationale Strategie zur Finanzbildung. Es ist jedoch unerlässlich, dass auch auf Länderebene Maßnahmen ergriffen werden. Denn wesentliche Ansätze einer solchen Strategie können nur in Länderverantwortung umgesetzt werden. Das gilt beispielsweise für die Lehreraus- und -fortbildung oder die Umsetzung von Schulfächern und Abschlussprüfungen.

BMBF und BMF haben der KMK angeboten, sich an der Erarbeitung einer Nationalen Strategie zur Finanzbildung zu beteiligen. Wir fordern die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen da- her dazu auf, sich der Strategie anzuschließen und Anstrengungen zur Stärkung der ökonomischen und finanziellen Bildung in Nordrhein-Westfalen zu unternehmen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Wirtschaftliche Themen werden oft fachfremd unterrichtet.
  • Die geläufigen Unterrichtsmaterialien sind fachwissenschaftlich nicht hinreichend und führen keine fachwissenschaftlichen Methoden ein.
  • Wirtschaftliche Kompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
  • Ökonomische Bildung ist eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Gleichstellung und Überwindung von Geschlechterrollen.
  • Die Einführung des Schulfachs Wirtschaft an allen Schulformen war ein überfälliger Schritt hin zu mehr ökonomischem Wissen als Bestandteil der Allgemeinbildung und mehr Verbraucherbildung, um Schülerinnen und Schüler auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten.


Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • das jahrgangs- und schulformübergreifende Gesamtkonzept „Schulfach Wirtschaft“ weiterzuentwickeln und dazu:
    o das Schulfach Wirtschaft nach dem Vorbild der beruflichen Gymnasien zukünftig flächendeckend auch als Abiturfach und Leistungskurs in der Oberstufe anzubieten,
    o in der Lehrerfortbildung die ökonomische Bildung deutlich stärker abzubilden,
    o die Fachlichkeit und Methodik der ökonomischen Bildung im Unterricht zu stärken, indem die Wirtschaftsdidaktik in der Lehrerausbildung einen größeren Stellenwert und Anteil bekommt,
    o Fortbildungen zur Wirtschaftsdidaktik in der neu aufgestellten Lehrerfortbildung für Nordrhein-Westfalen besonders zu berücksichtigen.
  • sich aktiv an der Finanzbildungsstrategie von BMBF und BMF zu beteiligen,
  • Schulen mit dem Ziel praxisnaher ökonomischer Bildung enger mit Betrieben zu vernetzen,
  • „Entrepreneurship Education“ durch Praxisprojekte zum Beispiel in Kooperation mit Startups zu stärken,
  • Ansätze für das Verständnis der Kapitalmärkte und der Wege von langfristiger Vermögensbildung zu vermitteln,
  • die Förderung von Schülerfirmen auszubauen, um besondere Leistungen auch im wirtschaftlichen Bereich stärker wertzuschätzen,
  • die Initiative „Start-up Teens“ nach bayrischem Vorbild in die Landesförderung aufzunehmen.