Zweites Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und der Kommunalwahlordnung
A Problem
Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlbezogener Vorschriften vom 5. Juli 2024, in Kraft getreten am 31. Juli 2024, wurde das bis dahin bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen geltende Sitzzuteilungsverfahren des Divisorverfahrens mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers durch ein Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich ersetzt.
Mit Urteilen vom 20. Mai 2025 hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NRW) entschieden, dass das in § 33 Absatz 2 KWahlG neu eingeführte Sitzzuteilungsverfahren gegen das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Absatz 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 78 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (LV) und das Recht auf Gleichheit der Wahl aus Art. 28 Absatz 1 Satz 2 GG, Art. 78 Absatz 1 Satz 1 LV verstößt (VerfGH 101/24, 114/24, 118/24, 124/24, 7/25).
Die Entscheidungen ergingen in Organstreitverfahren (Art. 75 Nr. 2 LV, § 12 Nr. 5 Verfassungsgerichtshofgesetz (VerfGHG NRW)). In diesen kann der VerfGH NRW nur feststellen, dass die Antragsteller in ihren Rechten verletzt wurden, die betroffenen Normen jedoch nicht für nichtig erklären.
Die Entscheidungen des VerfGH NRW binden nach § 26 Absatz 1 VerfGHG NRW die Verfassungsorgane des Landes sowie alle Gerichte und Behörden. Zudem haben die Entscheidungen nach § 12 Absatz 2 Nr. 5 VerfGHG NRW - und somit auch Entscheidungen in Organstreit-verfahren - Gesetzeskraft (vgl. § 26 Absatz 2 VerfGHG NRW). Dem Gesetzgeber obliegt somit die Pflicht, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen.
Eine gesetzliche Anpassung muss noch vor den nächsten allgemeinen Kommunalwahlen, die am 14. September 2025 stattfinden, erfolgen, um auf rechtssicherer Grundlage die Sitzberechnung durchführen zu können.
Darüber hinaus hat der VerfGH NRW mit Beschluss vom 6. Mai 2025 entschieden, dass § 15a Absatz 1 KWahlG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlbezogener Vorschriften vom 5. Juli 2024 (GV. NRW. S.444) gegen Artikel 4 Absatz 1 LV i. V. m. Artikel 9 Absatz 1 GG verstößt. Gemäß § 61 Absatz 3 VerfGHG NRW hat er daher die Vorschrift für nichtig erklärt.
B Lösung
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das vom VerfGH NRW für verfassungswidrig befundene Sitzzuteilungsverfahren durch das bis zum 30. Juli 2024 bei Kommunalwahlen in Nord-rhein-Westfalen geltende Verfahren der Sitzzuteilung ersetzt. Hierbei handelt es sich um das Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers.
Somit wird der bis zum 30. Juli 2024 geltende Rechtszustand mit Blick auf die Sitzverteilung bei den Kommunalwahlen wiederhergestellt.
Das damit wieder anzuwendende Sitzzuteilungsverfahren ist ein etabliertes Verfahren, das auch von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als mit den Wahlrechtsgrundsätzen vereinbar anerkannt ist (vgl. VerfGH 101/24, Urteil vom 20. Mai 2025, S. 33 f.).
Es ist zudem auch in der Praxis bekannt und wurde durch die mit der Zuteilung der Sitze beauftragten Wahlausschüsse bei vormaligen Kommunalwahlen angewandt. Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit für eine gesetzgeberische Anpassung ist eine Rück-kehr zum ehemals geltenden Sitzzuteilungsverfahren auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Wahlpraxis angezeigt.
Mit dem Gesetzentwurf werden gleichzeitig die durch die Änderungen notwendigen Anpassungen in der Kommunalwahlordnung vorgenommen. Darüber hinaus wird § 15a KWahlG um die vom VerfGH NRW für verfassungswidrig und nichtig befundene Regelung des § 15a Absatz 1 KWahlG bereinigt.
C Alternativen
Keine.
D Kosten
Durch den Gesetzentwurf werden keine zusätzlichen Kosten verursacht.
+++ Die Gegenüberstellung und Tabellen (Seiten 3 bis 34) bitte via Download abrufen +++
Begründung
A Allgemeiner Teil
Mit den Änderungen wird das Sitzzuteilungsverfahren für die Kommunalwahlen wieder auf das Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers umgestellt und somit der bis zum 30. Juni 2024 geltende Rechtszustand wiederhergestellt. Gleichzeitig werden die kor-respondierende Regelung der KWahlO sowie der entsprechenden Anlagen angepasst.
B Besonderer Teil
Zu den einzelnen Vorschriften:
Zu Artikel 1 (Änderung des Kommunalwahlgesetzes)
Zu Nummer 1 (§ 15a)
Mit Entscheidung vom 6. Mai 2025 hat der VerfGH NRW Absatz 1 des § 15a KWahlG für ver-fassungswidrig und nichtig erklärt. Der Gesetzestext des § 15a KWahlG wird dementsprechend bereinigt.
Zu Nummer 2 (§ 33)
Mit der Änderung in Absatz 2 wird das Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers als das bei Kommunalwahlen anzuwendende Sitzzuteilungsverfahren wieder
eingeführt, wie es im KWahlG bis zu seiner bis zum 30. Juli 2024 geltenden Fassung vorgesehen war.
Die durch die Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens notwendigen Anpassungen zur Berech-nung von Ausgleichsmandaten werden in Absatz 3 vorgenommen. Hierbei werden die in Absatz 3a befindlichen Regelungen in entsprechender Anpassung wieder in Absatz 3 überführt.
Die durch die Umstellung des Sitzzuteilungsverfahrens notwendigen Änderungen im Hinblick auf die sog. Mehrheitsklausel, mit der sichergestellt werden soll, dass eine Partei oder Wählergruppe, die mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hat, auch mehr als die Hälfte der insgesamt zu vergebenden Sitze in der Vertretung erhalten soll, werden in Absatz 4 vor-genommen.
Der sich durch die Änderungen ergebende Wortlaut der Vorschriften in den Absätzen 2 bis 4 ist mit Ausnahme der im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlbezogener Vorschriften (Drucksache 18/7788) vor-gesehenen redaktionellen Änderungen identisch mit dem Wortlaut der bis zum 30. Juli 2024 geltenden Regelungen, um die bis zum damaligen Zeitpunkt geltende Rechtslage wiederherzustellen.
Zu Nummer 3 (§ 46a)
Notwendige Anpassung zur Umstellung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahl der Bezirksvertretungen in den kreisfreien Städten.
Zu Nummer 4 (§46 j)
Notwendige Anpassung zur Umstellung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahl zur Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr.
Zu Artikel 2 (Änderung der Kommunalwahlordnung)
Zu Nummer 1 (§ 3)
Folgeänderung zu Art. 1 Nr. 2 aufgrund der Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens.
Zu Nummer 2 (§ 30)
Klarstellende redaktionelle Folgeänderung zur Neufassung des § 26 KWahlO.
Zu Nummer 3 (§ 61)
Zu Buchstabe a)
Folgeänderung zu Art. 1 Nr. 2 aufgrund der Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens.
Zu Buchstabe b)
Folgeänderung zu Art. 1 Nr. 2 aufgrund der Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens. Mit der
Änderung wird der bis zum 12. November 2024 geltenden Wortlaut der Regelung wiederein-geführt, um die bis zum damaligen Zeitpunkt geltende Rechtslage wiederherzustellen.
Zu Nummer 4 (§ 74)
Folgeänderung zu Art. 1 Nr. 2 aufgrund der Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens. Gleichzeitig wird der Verweis in der bis zum 12.11.2024 geltende Fassung der KWahlO auf § 33 Absatz 4 KWahlG gestrichen. Die Garantie der absoluten Sitzmehrheit bei einer absoluten Stimmenmehrheit des § 33 Absatz 4 KWahlG findet bei der Wahl der Bezirksvertretungen keine Anwendung. Denn § 46a Absatz 7 KWahlG wurde im Jahr 2020 dahingehend geändert, dass der Verweis auf § 33 Absatz 4 KWahlG gestrichen wurde.
Zu Nummer 5 (Anlagen)
Die durch die Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens notwendigen Anpassungen in den Anlagen der KWahlO werden vollzogen.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Artikel 3 sieht das Inkrafttreten des Gesetzes am Tag nach der Verkündung vor.