Vorsitzender Henning Höne im Interview mit WDR 5 Westblick - Das Maßnahmenpaket "Sicherheit" der Landesregierung und die geplanten Verschärfungen beim Thema Asyl

Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion im Interview mit WDR 5 Westblick. Thema des Gesprächs war unter anderem das Maßnahmepaket „Sicherheit“ der NRW-Landesregierung und die geplanten Verschärfungen beim Thema Asyl und im Kampf gegen Terroristen.

Henning Höne

Interview: Benjamin Sartory

Gegen illegale Zuwanderung und auch gegen Terrorismus soll es jetzt plötzlich ganz schnell gehen. Nach dem Anschlag von Solingen und auch dem Zugewinn der AfD im Osten diskutierte heute (12. September) der Bundestag über geplante schärfere Asylregeln der Bundesregierung und mehr Befugnisse für Ermittler. Für NRW hat Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU gestern bereits vorgelegt.

„Zu was sind wir bereit, um unsere Freiheit und Sicherheit zu verteidigen?“ (Red. Hinweis: Zitat aus der Rede von Ministerpräsident Hendrik Wüst vom 11.September) Die Frage reiche ich jetzt weiter an Henning Höne, Fraktionsvorsitzender der FDP-Opposition im Landtag. Guten Tag, Herr Höne.

Höne: Guten Tag.

Fangen wir ganz konkret an: Wie stehen Sie zu den für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz angekündigten Staatstrojaner, um verschlüsselte Handy Messenger zu knacken, also sogenannte „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“?


Höne: Keine einfache Frage. Nach dem Anschlag haben wir parteiübergreifend gesagt, wir wollen uns unsere Art zu leben nicht nehmen lassen. Maßnahmen, die doch sehr in die Privatsphäre der Menschen eingreifen, haben ja das Potenzial, genau diese Art zu leben zu verändern. Und gleichzeitig müssen wir natürlich auch mit der Technik gehen. Für mich ist in diesen Fragen dann eigentlich immer in der konkreten Umsetzung entscheidend: Gibt es einen Richtervorbehalt? Kann man das hinterher auch noch mal überprüfen? Können Menschen sich im Zweifelsfall auch im Nachhinein dagegen wehren? Und wenn man aus meiner Sicht in diesen Bereichen gut aufpasst und es klug ausbalanciert, dann brauchen wir diese Maßnahmen, um gegen den Terrorismus auch wirklich wirksam vorgehen zu können.

2021 war zumindest die Bundes-FDP noch klar gegen diesen Einsatz. Was hat sich geändert? Terrorismus gab es bei uns spätestens auch seit dem 11. September. Ist das ein Thema?

Höne: Ja, absolut. Aber natürlich haben sich auch Strukturen im Terrorismus verändert. Da, wo es vor einigen Jahren noch eher um Netzwerke ging und um entsprechende Zellen, geht es eben heute oft um Personen, die sich ganz einsam und alleine über technische, über digitale Wege radikalisieren. Es geht gar nicht mehr so stark um das geheime Treffen irgendwo, sondern im Zweifelsfall über irgendwelche radikalen Influencer bei TikTok und ähnlichen Plattformen. Und da muss der Staat, müssen die Sicherheitsbehörden schon auch weiterhin mitgehen.
Wichtig finde ich, dass wir gewisse Analogien finden, also sprich: Die Wohnung in Deutschland ist natürlich geschützt, darf aber durchsucht werden, wenn es einen Verdacht gibt und wenn ein Richter das entsprechend genehmigt. Das sind eben die Mechanismen, die wir dann in die digitale Welt auch übertragen sollten.

„Zu was sind wir bereit?“ Eine weitere Idee des Landes ist die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware. 2020 von der FDP noch als Einstieg in die totale Überwachung bezeichnet.

Höne: Ja und ist auch ein Punkt, der mir in der Liste als durchaus kritisch aufgefallen ist. Die Frage ist ja, aus welchen Bereichen wird es dann genutzt? Wir müssen eben solche Dinge auch immer sehr kritisch hinterfragen. Das kommt oft scheibchenweise. Es dann wird gesagt: „Wir wollen das Nutzen, aber nur bei Terrorismus und nur bei einem Verdacht.“ Und sobald es einmal eingeführt ist, kommt dann ein Jahr später Jemand und sagt: „Naja, aber wir könnten doch auch Bilder aus öffentlichen Überwachungskameras mit dazu nehmen.“

Und genau über diese Wege muss man sich eben vorher sehr genau im Klaren sein. Deswegen habe ich gestern in der Debatte gesagt, dass wir als Freie Demokraten dieses Maßnahmenpaket auf die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit sehr genau überprüfen werden. Das werden spannende Debatten in den nächsten Wochen.

Verlassen wir die Ermittlerseite, die natürlich auch eine Rolle spielt bei der Bekämpfung von Terrorismus und kommen konkret zu dem Anschlag von Solingen. Nach dem, was wir wissen, ist Folgendes passiert: Der mutmaßliche Attentäter hätte abgeschoben werden sollen. Er ist aber deshalb nicht in das Land zurückgekehrt, wo er zuerst seinen Asylantrag hätte stellen sollen, weil man ihn nicht in der Unterkunft vorgefunden hat.
Auch da macht die NRW-Landesregierung Vorschläge: Ein zentrales Abschieberegister und einen konsequenteren zweiten Besuch, wenn der Betreffende beim ersten Mal nicht da war. Zudem sollen die Asylunterkünfte auch mehr eingebunden werden, wenn jemand zur Fahndung ausgeschrieben ist. Gehen Sie da mit?

Höne: Das sind Maßnahmen, die wir nicht nur mitgehen, sondern die in Wahrheit überfällig sind. Und an diesen Beispielen sehen wir, dass das Attentat von Solingen hätte verhindert werden können. Nicht durch neue Gesetze, sondern mit der bestehenden Rechtslage, die man konsequent hätte anwenden müssen.

Und das Problem und der Vorwurf, den wir der Landesregierung auch machen, den ich auch mache, ist, dass NRW-Flüchtlingsministerin Josephine Paul (Grüne) seit ihrem Amtsantritt als zuständige Ministerin in diesem Bereich keinerlei Gestaltungs- und Veränderungswillen gezeigt hat. Und das, obwohl die Probleme nicht erst seit Solingen offenbar sind. Sondern die hohen Flüchtlingszahlen und auch die Sicherheitsgefährdung durch den Terrorismus seit Jahren bekannt sind.

Was müsste sich ändern, damit wir Regeln, die wir schon haben, besser durchsetzen?

Höne: Es geht in vielen Bereichen um die personelle Ausstattung, um effektive und effiziente Prozesse. Wir haben deswegen schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, die zentralen Ausländerbehörden zu stärken.
Heute haben wir kommunale Ausländerbehörden, die durch fünf zentrale Behörden unterstützt werden. Aber beispielsweise Passersatzpapiere und die Organisation von Abschiebungen mit den ganzen komplexen Fragen dahinter, das müssen wir uns noch genau angucken.
Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass wir den größten Teil der Aufgaben, die heute bei den Kommunen liegen, auch operativ zu den zentralen Ausländerbehörden legen. Dass wir vor Ort nur noch die Dinge machen, die auch wirklich einen örtlichen Bezug haben. Wenn es um eine Arbeitserlaubnis für Menschen geht, die hier auch eine Bleibeperspektive haben. Alles andere sollten wir zentralisieren.

Sie haben unter anderem gesagt, dass die personelle Ausstattung der Behörden wichtig ist. Das alles wird Geld kosten und morgen ist die Haushaltsdebatte. Was erwarten Sie?

Höne: Nach diesem Sicherheitspaket ist der Haushalt in Teilbereichen überholt, weshalb ich neue Antworten der Landesregierung erwarte. Unter anderem wurde eine zweite Abschiebehaftanstalt versprochen, was der damalige FDP-Flüchtlingsminister Joachim Stamm 2021 bereits in den Haushalt übernommen hatte. Die Planungen hatten schon begonnen, wo diese Anstalt denn sein könnte. In Düsseldorf und in Mönchengladbach gab es schon Gespräche. CDU und Grüne wollten die Gelder komplett streichen, so steht es zumindest im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr.
Das wird man rückgängig machen müssen. Dadurch braucht es an anderen Stellen Einsparungen, wie wir das in anderen Bereichen auch sehen. Die Landesregierung hat eine Stärkung des Verfassungsschutzes versprochen. Seit Amtsantritt von Schwarz Grün wurden beim Verfassungsschutz 8 % der Gelder gestrichen. Auch hier braucht es eine Trendwende, das heißt, die Prioritäten in diesem Haushalt werden sich innerhalb der nächsten Wochen bei den Beratungen noch deutlich verschieben, und da braucht es Vorschläge der Landesregierung.

Sie haben vorhin gesagt, dass man auf die Balance achten muss bei diesem Maßnahmenpaket. Daraus höre ich heraus, dass Sie nicht ganz abgeneigt sind, zumindest nicht bei allen Vorschlägen. Kommen wir mal zur Prävention. Gerade auf Social-Media-Kanälen, da hetzen ja nicht nur Menschen, die bei uns kein Aufenthaltsrecht haben. Da sind teilweise auch Menschen, die Deutsche sind und vielleicht auch einen Migrationshintergrund haben. Was müssten wir denn vielleicht tun, um da stärker aufzutreten, um die Jugend auch zu schützen?

Höne: Wir müssen da insgesamt präsenter sein und das beginnt schon in den Schulen mit Aufklärung und mit Präventionsarbeit

Macht die Landesregierung in diesem Bereich genug?

Höne: Ich glaube im Moment noch nicht. Im Maßnahmenpaket stehen einige Vorschläge drin, um da mehr zu tun. Gleichzeitig ist es natürlich auch schwierig, in diesen Netzwerken entsprechend präsent zu sein und auch fachkundig auf vermeintlich einfache Antworten von Extremisten zu antworten und zu reagieren. Also von daher ist bei der Bildung in den Schulen, aber eben auch in den digitalen Netzwerken noch einiges zu tun.

„Zu was sind wir bereit?“ – kommen wir noch mal auf den Satz von Ministerpräsident Wüst zurück. Die Grünen müssen sich gerade augenscheinlich ziemlich dehnen, um da mitzugehen. Und auch die FDP scheint Kompromisse zu machen beim Thema Bürgerrechte, Datenschutz und so weiter. Was wäre die Handschrift der FDP in dieser Lage, wäre sie in der Regierung?

Höne: Na, die Handschrift wäre vor allem gewesen, dass gewisse Dinge wie die zweite Abschiebehaftanstalt schon vorher da gewesen wären. Und wenn es an die Sicherheitsfragen dran geht, eben möglichst viele Einzelfallentscheidungen, möglichst oft ein Richtervorbehalt und eben auch immer die Möglichkeit für das Parlament oder für Gerichte, diese Arbeit im Verfassungsschutz auch effektiv zu kontrollieren. Und darüber sollten wir sprechen. Ich wünsche mir da einen übergreifenden Konsens. Der Ministerpräsident hat das angeboten, hat es bislang allerdings bei den Worten belassen.

Wir reden über Herausforderungen, da müssen wir über Legislaturperioden hinweg denken, und darum ist es klug, wenn nicht die Regierung das alleine macht, sondern wir einen breiteren Konsens bauen.

 

Red. Hinweis: Das Interview führte Benjamin Sartory am 12. September 2024.

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