Ermöglichen statt ausbremsen – Kita-Gründungen durch Elterninitiativen vereinfachen und stärken

I. Ausgangslage

 

In Nordrhein-Westfalen sind Kindertagesstätten (Kitas) ein essenzieller Bestandteil der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, unterstützen die soziale Entwicklung von Kindern und bieten Eltern die Möglichkeit, ihren beruflichen Verpflichtungen nachzugehen. Trotz des klaren Bedarfs an Kita-Plätzen und einem seit zehn Jahren geltenden Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung fehlt es in Nordrhein-Westfalen an rund 100.000 Kita-Plätzen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus diesem Jahr weist die Zahl mit konkret 102.000 fehlenden Kita-Plätze aus.[1] Mit Blick auf die Nachfrage für die Betreuung von Kinder unter 3 Jahren stellt eine, vor Kurzem veröffentliche, Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für Nordrhein-Westfalen fest, dass für 16,8 Prozent aller Kinder unter Drei ein Betreuungsplatz fehlt.[2] Obwohl die Geburtenraten in den letzten zwei Jahren rückläufig sind, deutet wenig darauf hin, dass sich die Situation in der Kinderbetreuung in absehbarer Zukunft entspannen wird. Dies hat mehrere Ursachen:

 

Einerseits könnte die Anzahl der Kinder aufgrund der derzeitigen starken Zuwanderung wieder ansteigen. Andererseits leiden viele Kindertagesstätten unter einem Fachkräftemangel. Im Jahr 2022 blieben in Deutschland von etwa 30.000 offenen Stellen im Bereich der Kinderbetreuung und -erziehung rechnerisch etwa 22.000 Stellen unbesetzt. In Nordrhein-Westfalen besteht ein Mangel von rund 25.000 Erzieherinnen und Erzieher.[3] Die Erfüllung des Rechtsanspruchs ist in bestimmten Regionen des Landes konkret gefährdet. Die schwieriger werdenden Bedingungen, bedingt durch die Inflation, stellen eine Herausforderung für den weiteren Ausbau dar, wobei eine verlässliche Finanzierung dabei von wesentlicher Bedeutung ist.

 

Der Mangel an Kita-Plätzen in Nordrhein-Westfalen hat schwerwiegende Auswirkungen auf Kinder, Eltern und die Wirtschaft. Kinder haben ein Recht auf frühkindliche Bildung und Betreuung, die ihre Entwicklung fördert. Eltern sind auf die Verfügbarkeit von Kita-Plätzen angewiesen, um ihrer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Die Wirtschaft benötigt qualifizierte Arbeitskräfte und die unzureichende Verfügbarkeit von Kita-Plätzen beeinträchtigt diese wichtige Ressource. Es ist daher zwingend notwendig die Aufgabe der politisch Verantwortlichen, neben dem Erhalt der bestehenden Infrastruktur und ihren Plätzen, durch die Bereitstellung von ausreichenden finanziellen Mitteln, einen konsequenten Ausbau weitere Platzkapazitäten voranzutreiben. In der Legislatur 2017-2022 hat die damalige Landesregierung mit der Anpassung der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Investitionen für zusätzliche Plätze in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege vom 19. Oktober 2020[4] und insbesondere durch die im Zuge der Novellierung des Kinderbildungsgesetzes ausgesprochene Platzausbaugarantie für jeden notwendigen Betreuungsplatz dem steigenden Bedarf wie auch den damit verbundenen steigenden Kosten Rechnung getragen.

 

Auch durch Elterninitiativen getragene Kindertagesstätten können einen Beitrag zum Platzausbau und zur Sicherstellung bedarfsgerechter Betreuungseinrichtungen für Kinder leisten. Diese Initiativen setzen sich aktiv für die Schaffung von Kita-Plätzen ein und gestalten die Bildungs- und Betreuungsangebote gemäß ihren Bedürfnissen und Vorstellungen. Elterninitiativen übernehmen die Verantwortung für Planung, Finanzierung und Organisation von Kitas, wobei sie oft auf ehrenamtliche Arbeit und private Ressourcen angewiesen sind.

 

Für die Gründung einer Kita müssen die Initiativen ein pädagogisches Konzept erstellen, Entscheidungen über das Trägerkonzept treffen und damit klären, welche Rechtsform die Kita einnimmt. Es bedarf zudem einer geeigneten Immobilie, die dem Erteilen einer Betriebserlaubnis nicht im Weg steht. Zudem braucht es Klarheit bei der Finanzierung der Gründung wie auch eine Kostenplanung für den laufenden Betrieb. Ansprechpartner für die Elterninitiativen sind neben den Landesjugendämtern auch die örtlichen Jugendämter sowie weitere kommunale Entscheidungsträger. Teilweise werden bei der Gründung auch private Beratungsangebote genutzt.

 

Leider stehen engagierte Elterninitiativen vor zahlreichen bürokratischen Hürden, die ihre Bemühungen erschweren oder gar scheitern lassen. Aktuelle Beispiele zeigen sich in Witten und Mettmann.[5][6] Die Auflagen und Vorschriften, darunter zum Beispiel der Flächennutzungsplan einer Kommune, können die Gründung von Kitas unmöglich machen. Dies führt zu finanziellen Verlusten, Frustration und dem Scheitern gut gemeinter Initiativen und damit konkret auch zusätzliche Betreuungsplätze. Große Träger verfügen über Fachabteilungen, die in der Lage sind, die komplexen rechtlichen und finanziellen Anforderungen zu bewältigen, während Elterninitiativen oft an den Anforderungen scheitern.

 

Es zeigt sich, dass es einer Absenkung bürokratischer Hürden bedarf, um Elterninitiativen die Gründung von Kitas leichter zu ermöglichen. Dies bedeutet nicht, die Sicherheit und den Schutz der Kinder zu vernachlässigen, sondern vielmehr, durch flexiblere Möglichkeiten eine Umsetzung der Vorgaben zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung von öffentlichen Spielplätzen als Außenfläche oder innovative Lösungen wie ein zweiter Notausgang in Form einer Rutsche.

 

Alle an Genehmigungsverfahren beteiligten Akteure müssen Herausforderungen bei der Gründung von durch Elterninitiativen getragenen Kitas identifizieren, bestehende Regelungen bei der Erteilung von Betriebserlaubnissen prüfen und breitere Ermessenspielräume definieren. Die Gründungsphase von Kitas darf nicht mehrere Jahre in Anspruch nehmen und bürokratische Hürden müssen für Elterninitiativen leichter zu überwinden sein.

 

II. Beschlussfassung

 

Der Landtag stellt fest:

 

  • Durch Elterninitiativen getragene Kindertagesstätten kommt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Kita-Platzmangels und der Sicherstellung bedarfsgerechter Betreuungseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen zu.
  • Zu häufig scheitern Elterninitiativen an den bürokratischen Hürden.
  • Nordrhein-Westfalen braucht auch bei der Gründung von durch Elterninitiativen getragenen Kitas eine Kultur des Ermöglichens zu etablieren.

 

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

 

  • einen vereinfachten Zugang zu den bereitgestellten Mittel der Überbrückungsfinanzierung für bestehende, durch Elterninitiative getragene, Einrichtungen zu ermöglichen.
  • im Austausch mit den Landesjugendämter, den Kommunen und Vertretern von Elterninitiativen die größten Fallstricke bei der Gründung einer Kita zu identifizieren und anschließend diese abzuschaffen oder zu vereinfachen
  • bei kürzlich gescheiteren Projekten der Gründung einer Kita gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort zu prüfen, ob kurzfristig das Projekt zum Erfolg geführt werden kann.
  • bestehende Regelungen bei der Erteilung von Betriebserlaubnissen zu prüfen und Ermessenspielräume zu definieren.
  • notwendige Verwaltungsabläufe zu digitalisieren.
  • bestehende Beratungsangebote, -Kontakte und -Unterlagen zu aktualisieren, zu bündeln und in Form eines zentralen Gründerberatungsportals „Kita“ angedockt an www.kita.nrw zur Verfügung zu stellen.
  • zusätzliche Mittel zur Anschubfinanzierung in der Gründungsphase zur Verfügung zu stellen.

 

[1] https://www.zeit.de/news/2022-10/20/studie-2023-fehlen-in-nrw-knapp-102-000-kita-plaetze#:~:text=Gemessen%20am%20Betreuungsbedarf%20fehlen%20laut,rund%2024.400%20Fachkr%C3%A4fte%20eingestellt%20werden.

[2] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/wido-geis-thoene-fast-300000-u3-kitaplaetze-fehlen.html

[3] https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/kita-plaetze-fehlen-nrw-100.html#:~:text=Laut%20einer%20Studie%20der%20Bertelsmann,als%20100.000%20Pl%C3%A4tze%20in%20Kindertagesst%C3%A4tten

[4] https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=18851

[5] https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/gruendung-einer-kita-warum-viele-initiativen-daran-scheitern-id239361945.html

[6] https://www.wz.de/nrw/kreis-mettmann/mettmann/private-kita-muss-erst-noch-huerden-nehmen_aid-51931557